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28.07.2024

Gegen eine scheibchenweise Aushöhlung der österreichischen Neutralität!

Grundlagen der österreichischen Neutralität
 
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1945 war Österreich in 4 Besatzungszonen aufgeteilt. Diese Zonen wurden von den Siegermächten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich kontrolliert. In Österreich war man sich einig: Eine dauerhafte Teilung des Landes sollte verhindert werden. 

Am 15. April 1955 wurde das Moskauer Memorandum unterzeichnet: Österreich verpflichtete sich politisch (rechtlich war das Memorandum kein Vertrag), sich nach Abzug der Besatzungstruppen aus freien Stücken für militärisch neutral zu erklären. Im Gegenzug versprach die Sowjetunion, den Staatsvertrag zu unterzeichnen, was dann genau einen Monat später geschah.

Österreichs Verhandler nutzten in Moskau die Erklärung Neutralität nach dem Muster der Schweiz, um klarzustellen, dass es sich nicht um Gesinnungsneutralität oder einen „dritten Weg“ zwischen West und Ost handeln könne, dass aber die gesamte Politik, somit auch die Wirtschaftspolitik, darauf ausgerichtet sein müsse, in einem Kriegsfall die Neutralität aufrechterhalten zu können. Weiters konnten sie vermeiden, dass die Neutralität Bestandteil des Staatsvertrages wurde und Österreich somit zur Rechenschaft über seine Neutralitätspolitik verpflichtet werden konnte.

Der Beschluss des Neutralitätsgesetzes steht somit in direktem politischen (aber nicht rechtlichen) Zusammenhang mit dem Österreichischen Staatsvertrag vom 15. Mai 1955, durch den Österreich nach der NS-Herrschaft (1938–1945), dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Besatzungszeit (1945–1955) seine volle staatliche Souveränität wiedererlangte.

Die österreichische Neutralität ist seit der Beschlussfassung des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität Österreichs am 26. Oktober 1955[1] - einem Tag nach dem Abzug der letzten Besatzungstruppen aus Österreich – ein grundlegendes Element in der Außenpolitik Österreichs. Seit 1965 ist der 26. Oktober in Erinnerung daran Nationalfeiertag in Österreich.

Die Neutralität Österreichs wurde der Völkergemeinschaft bekanntgegeben, von dieser aber nicht garantiert; sie basiert also nicht auf einem internationalen Vertrag, sondern auf einer einseitigen Erklärung.

Das Neutralitätsgesetz enthält Vorgaben für die Außenpolitik von Bund und Ländern. Es wird daher zu den sogenannten „Staatszielen“ gezählt.[2]

Die Neutralität ist aber nicht Teil der Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie zum Beispiel das demokratische Prinzip. Österreich kann also die Neutralität abgelegen.
Für eine Änderung des Gesetzes braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und Bundesrat. Eine Volksabstimmung ist dafür nicht notwendig (!).

Am 1.1.2006 hat sich Österreich in seiner Bundesverfassung zur „Umfassenden Landesverteidigung“ ua erneut zur Verteidigung der Neutralität bekannt.[3]

Was bedeutet Neutralität im Völkerrecht

Im internationalen Kontext meint „Neutralität“ die Unparteilichkeit eines Staates im Falle gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen anderen Staaten. Ein neutraler Staat tritt nicht aktiv als Partei in einem bewaffneten Konflikt auf und leistet auch keine direkte oder indirekte militärische Unterstützung an eine der Konfliktparteien 
(z. B. Waffenlieferungen oder Truppentransporte). 
 
Als direkte Ergebnisse der internationalen Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 legen die Haager Abkommen Nr. V und Nr. XIII die wesentlichen Inhalte von Neutralität im internationalen Recht fest.
 
Diese Inhalte umfassen:
·      das Recht auf Unverletzlichkeit des Territoriums neutraler Staaten,
·      die Pflicht neutraler Staaten, die Verletzung ihres Status zu verhindern,
·      die Pflicht neutraler Staaten, sich zu enthalten in Hinblick auf Kampfhandlungen und die Begünstigung von Kriegsparteien. [4]
 
Schrittweise Aushöhlung der Neutralität
 
Im Dezember 1955 trat Österreich den Vereinten Nationen (UN) bei. Durch den Beitritt und die Teilnahme am System kollektiver Sicherheit der UN ergab sich jedoch ein erstes Spannungsverhältnis zur österreichischen Neutralität
 
Grundsätzlich sieht die Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta) eine Pflicht zur Teilnahme an Zwangsmaßnahmen gegen Staaten vor, die gegen das Gewaltverbot verstoßen haben. 
 
Österreich entkräftete dieses Spannungsverhältnis mit der sog. „Verdross-Doktrin“, wonach bereits vor Beitritt Österreichs zu den UN den anderen Staaten das Neutralitätsgesetz zur Kenntnis gebracht worden sei. Es könne daher von Österreich nicht erwartet werden, mit Maßnahmen im System kollektiver Sicherheit gegen seine Neutralitätsverpflichtungen zu verstoßen.[5]
 
Bis Mitte der 1980er-Jahre wurde ein Beitritt zur EG bzw. EU in Österreich als unvereinbar mit der Neutralität angesehen. Mit der Einleitung des Beitrittsverfahrens kam es jedoch zu raschen Positionsänderungen in Wissenschaft und Politik. Im Beitrittsvertrag wurde auf jede Absicherung der Neutralität verzichtet. 
 
Die Schlussakte enthält vielmehr eine Gemeinsame Erklärung zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), nach der sich Österreich verpflichtet, sich an dieser in vollem Umfang und aktiv zu beteiligen. International blieb diese Vorgangsweise unwidersprochen.
 
Mit Artikel 23j Bundesverfassungsgesetz (B-VG) wurde eine besondere Rechtsgrundlage für die Mitwirkung an der GASP geschaffen, die auch die Beteiligung des Nationalrates und Bundesratessicherstellt.[6]
 
In der Verfassungsrechtslehre herrscht Übereinstimmung, dass damit die Reichweite des Neutralitätsgesetzes eingeschränkt wurde. Österreich kann daher an polizeilichen und militärischen Aktivitäten der EU ebenso wie an Wirtschaftssanktionen mitwirken. 
 
Dabei ist jedoch zu beachten, dass Art. 42 Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) die sogenannte „irische Klausel“ enthält: Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) darf „den besonderen Charakter […] bestimmter Mitgliedstaaten“ nicht berühren. 
 
Anlässlich der Neuregelung von Art. 23j B-VG im Jahr 2010 (in Umsetzung des Vertrags von Lissabon) hat der Nationalrat dazu festgehalten, dass Österreich „auch in Zukunft selbst darüber entscheiden [könne], ob sowie auf welche Weise Unterstützung geleistet“ werde. 
 
In Bezug auf die Beistandsverpflichtung, wenn ein EU-Staat Ziel eines bewaffneten Angriffs wird (Art. 42 Abs. 7 EUV), betonte Österreich, dass auch dann die (militärische) Neutralität respektiert werden müsse. Österreich entscheidet also selbst, in welchem Umfang und auf welche Weise (z. B. Lieferung von Hilfsgütern) es Beistand leistet. Da EU-Beschlüsse im Rahmen der GASP und der GSVP immer einstimmig erfolgen müssen, wird davon ausgegangen, dass der besondere Status neutraler Staaten immer Berücksichtigung findet.[7]
 
Ab 1995 hat sich Österreich zudem an der NATO-Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace – PfP) beteiligt. Das sind Partnerschafts- und Kooperationsprogamme insbesondere in den Bereichen Friedenssicherung und Katastrophenhilfe, die in der Regel einen UN-Beschluss umsetzen (z. B. KFOR im Kosovo). Sie werden daher von Österreich nicht als Beeinträchtigung der Neutralität gesehen.
 
Politische Diskussionen über die Neutralität finden nicht statt
 
Mit Ausnahme von NEOS bekennen sich seit Mitte der 2000er-Jahre alle Parlamentsparteien zur Neutralität. Es kommt kaum zu Debatten über die Neutralität und auch zu keiner Weiterentwicklung. Bekenntnisse zur Neutralität finden sich in den aktuellen Grundsatzprogrammen der Grünen (2001), der FPÖ (2011) sowie der SPÖ (2018). 
 
Im jüngsten Grundsatzprogramm der ÖVP aus dem Jahr 2015 wird die Neutralität nicht genannt, sondern die „Weiterentwicklung hin zu einer Verteidigungsunion mit dem langfristigen Ziel einer gemeinsamen europäischen Armee“ als zentrale Frage identifiziert. Auch NEOS (2019) argumentieren für die (langfristige) Institutionalisierung einer Europäischen Armee. 
 
Das Regierungsprogramm 2020-24 betont, dass mit einer „[aktiven] Neutralitätspolitik ein eigenständiger Beitrag Österreichs zu Frieden und Sicherheit in Europa (im Rahmen der GASP) und in der Welt“ geleistet werde.[8]
 
Aufgrund der eindeutigen Meinungslage der Bevölkerung vermieden es die Regierungen der letzten Jahre nach Auffassung von Kommentatoren bisher aus vor allem wahltaktischen Gründen, offiziell festzustellen, dass die Vollneutralität Österreichs heute nicht mehr besteht und auch die verbleibende Bündnisfreiheit außen- bzw. EU-politischer Zweckmäßigkeit entsprechend interpretiert wird. 
 
Unter Verfassungsjuristen wird diskutiert, ob der formelle Widerruf des Neutralitätsgesetzes als Gesamtänderung der Bundesverfassung zu interpretieren sei und daher von Gesetzes wegen eine Volksabstimmung erfordere.
 
Das Gesetz ist allerdings ohne Volksabstimmung zu Stande gekommen und auch der durch Volksabstimmung legitimierte EU-Beitritt wird als Argument gegen Notwendigkeit einer Volksabstimmung angeführt.
Eine repräsentative Umfrage in Österreich während des russischen Angriffes auf die Ukraine im Jahr 2022 ergab, dass die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung an der Neutralität festhält.
 
Der nächste Schritt der Aushöhlung der Neutralität: Sky Shield
 
Mit der deutschen Initiative „Sky Shield“ sollen – laut deutschen Politikern - Lücken im bisherigen Schutzschirm für Europa geschlossen werden. Unter anderem sollen gemeinsam neue Waffensysteme eingekauft werden, die dann zusammen möglichst günstig ein großes Gebiet abdecken. Die damalige deutsche Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht versprach sich von dem Projekt „politische, finanzielle und auch technologische Synergieeffekte“.
 
Am 13. Oktober 2022 unterzeichneten Vertreter (Verteidigungsminister) von 15 europäischen Staaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Vereinigtes Königreich) eine Erklärung zu dieser Initiative. Mit Ausnahme des erst 2023 beigetretenen Finnland, das zu diesem Zeitpunkt einen Beobachterstatus hatte, waren alle Länder mindestens seit 2004 Mitglied der NATO.
 
Am 7. Juli 2023 unterzeichneten Österreichs Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und die Schweizer Bundesrätin Viola Amherd eine Absichtserklärung zum Beitritt
 
Es gehe darum, Beschaffungsvorhaben zur Luftverteidigung in Europa besser zu koordinieren, um Skaleneffekte zu nutzen und um die Interoperabilität zu verbessern, erklärte Amherd: «Mit dieser Initiative ermöglichen wir Kooperation in der Ausbildung, im Unterhalt und in der Logistik.»
 
Die beiden für Verteidigung zuständigen Ressortverantwortlichen unterschrieben außerdem eine Zusatzerklärung, um zu unterstreichen, dass die österreichische und die Schweizer Neutralität gewahrt bleiben und sich die beiden Länder im Ernstfall nicht in einen Konflikt anderer Länder einmischen würden. 
 
Der offizielle Betritt Österreichs erfolgte – ohne Debatte in der Öffentlichkeit und ohne Beschlussfassung im Nationalrat - Ende Mai 2024
 
Öffentlich zu Wort meldet sich bereits 2023 der erste Militärrepräsentant Österreichs bei EU und NATO und Ehrenpräsident der „Vereinigung Österreichischer Peacekeeper“ General i.R. Günther Greindl mit folgender Stellungnahme:
 
„Die österreichische Verteidigungsministerin Claudia Tanner hat eine Absichtserklärung zur Teilnahme an der von Deutschland vorgeschlagenen Initiative „Sky Shield“ unterschrieben. Sky Shield soll Europa vor russischen Raketenangriffen schützen. 19 NATO Staaten, sowie Österreich und die Schweiz wollen daran teilnehmen. Etliche andere europäische NATO-Staaten, darunter Frankreich, Italien, Spanien und Polen, sind nicht dabei. Warum die Regierungen von neutralen Staaten von Beginn an mitmachen, ist aus neutralitätspolitischer Sicht höchst fragwürdig.
 
Nicht erst seit dem Ukrainekrieg ist Russland der ewige Feind der „westlichen Welt“. Sky Shield folgt vielmehr der Logik des kalten Krieges und ist der Beginn eines neuerlichen Wettrüstens. Ein Wettrüsten, dass, anstatt mehr Sicherheit zu bringen, nur hohe Kosten verursachen wird. Der Profiteur ist die US-Rüstungsindustrie.
 
Die Rückkehr der atomaren Abschreckung ohne Verträge zur Kontrolle der Atomwaffen ist besiegelt. Laut NATO und EU ist Russland ein totalitärer und imperialer Staat mit dem eine kooperative Sicherheit so lange nicht möglich ist, bis Russland seine Haltung ändert. Die Entspannungspolitik der 70er Jahre beweist jedoch das Gegenteil: Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung führten im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu einem System der kooperativen Sicherheit in das die totalitäre und imperiale Sowjetunion eingebunden war. Warum sollte das mit Russland heute nicht möglich sein?
 
Österreich sollte seine Sicherheit jedenfalls nicht mit der Logik des Kalten Krieges verbinden. Als wir im Kalten Krieg als Pufferstaat nur geringe Chancen hatten, uns aus einem europäischen Krieg herauszuhalten, haben wir mit dem Konzept der umfassenden Landesverteidigung und der militärischen Raumverteidigung eine glaubhafte Anstrengung unternommen, unsere Unabhängigkeit und Neutralität zu verteidigen. Jetzt, da wir in einer geostrategisch viel besseren Lage sind, sollte das nicht möglich sein? Warum setzen wir mit der voreiligen Unterzeichnung der Absichtserklärung die Glaubwürdigkeit unserer Neutralität leichtfertig aufs Spiel? Braucht Österreich Sky Shield wirklich?
 
Die NATO wurde gegründet, um Europa gegen den kommunistischen Expansionsdrang der Sowjetunion zu schützen. Russland ist nicht mehr die Sowjetunion. Das strategische Interesse Russlands liegt in der Ostukraine und in Nordeuropa, um den Zugang zum Meer zu sichern. Ob Russland bereit wäre, für den Zugang zur Ostsee Krieg zu führen, darf bezweifelt werden. Es gibt auch keine Belege dafür. Welchen Vorteil hätte es, Europa anzugreifen? Sky Shield trägt daher nicht zur Entspannung oder Sicherheit Österreichs bei, sondern ist ein Signal, das aus russischer Sicht die NATO in die Lage versetzten würde, einen Präventivschlag zu führen. Auch einen mit Atomwaffen, wie es bereits frühere Konzepte vorsahen. Russland wird daher alles unternehmen, um Sky Shield im Ernstfall mit Hyperschallraketen zu bekämpfen, die von Sky Shield nicht abgefangen werden können.
 
Als Rechtfertigung für den neutralitätspolitisch bedenklichen Schritt wird angeführt, dass Österreich Gefahr laufe, in Europa isoliert zu werden und dass eine eigenständige Raketenabwehr nicht möglich sei. Die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen EU und NATO vom Jänner 2023 hält fest: „Wir befürworten die größtmögliche Einbeziehung der NATO-Verbündeten, die nicht Mitglieder der EU sind, in deren Initiativen. Wir befürworten die größtmögliche Einbeziehung der EU-Mitglieder, die nicht Teil des Bündnisses sind, in dessen Initiativen.“
 
Die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU ist offensichtlich bereits so eng, dass die für die Sicherheit nötigen Informationen allen Staaten, unabhängig von ihrem Status, zugänglich gemacht werden sollen. Warum also diese Eile? Viele Fragen, die unsere Neutralität und unsere Sicherheit betreffen sind noch offen. Wäre es nicht vernünftig, die Erarbeitung der neuen Sicherheitsstrategie abzuwarten, bevor die Regierung so weitreichende Entscheidungen trifft? Noch dazu im Alleingang und quasi über Nacht, ohne Einbeziehung des Sicherheitsrats, ohne Einbindung des Parlaments und ohne umfassende Information der Öffentlichkeit über die Risiken, Kosten und Befehlsgewalt! Denn es ist eine Tatsache, dass im Ernstfall die Raketen auf österreichischen Boden von der NATO gesteuert würden, nicht vom österreichischen Bundesheer allein.
 
Die zentralen Fragen sind: Kann Österreich seinen Luftraum ohne Sky Shield nicht verteidigen? Und warum sollte Russland das neutrale Österreich angreifen? Die Chancen, sich als neutraler Staat aus kriegerischen Auseinandersetzungen herauszuhalten, sind gut. Die geostrategische Lage begünstigt Österreich. Die größte Bedrohung für unsere Neutralität sind Verletzungen des Luftraumes und Waffentransporte durch Österreich. Der Krieg in der Ukraine hat uns vor Augen geführt, wie wichtig Österreich für den Nachschub der NATO ist. Eine glaubwürdige Neutralität muss im Kriegsfall allen Kriegsparteien, auch der NATO, die Nutzung unseres Territoriums verwehren.
 
Die Verschmelzung zwischen EU und NATO stellt Österreich vor eine schwierige Aufgabe, da die EU ihre sicherheitspolitischen Entscheidungen in voller Übereinstimmung mit der NATO trifft. Es wird dem Geschick unserer Neutralitätspolitik vorbehalten sein in diesem Dilemma einen gangbaren Weg zu finden. Die derzeitige Politik, die Neutralität zu beschwören ohne neutral zu handeln, ist weder für Österreich noch für Europa gut.
 
Europa und Österreich müssen zu einer Politik zurückkehren, die eigene Interessen voranstellt und realpolitische Gegebenheiten zur Kenntnis nimmt. Der Ukraine-Krieg hat nichts daran geändert, dass eine dauerhafte euroatlantische Sicherheitsordnung nur mit und nicht gegen Russland errichtet werden kann. Die Neutralität Österreichs ist ein wichtiger Baustein einer europäischen Friedensordnung und kann in der EU eine wesentliche Stimme des Friedens sein.
 
Statt Sky Shield braucht Österreich daher eine eigenständige Luftverteidigung, die Überflüge von Kriegsparteien, auch der NATO, verhindern kann. Sky Shield könnte Österreich sogar schaden, da es dann legitimes Ziel für russische Raketenangriffe wäre. Eine ausreichende Zahl kampfstarker Abfangjäger, ergänzt durch Boden-Luftraketen, könnte den Schutz unseres Luftraumes bewerkstelligen. Jene zwei Milliarden Euro, die nach Berichten für Sky Shield aufgewendet werden sollen, wären besser in die Aufrüstung der eigenen Luftverteidigung investiert. Die „Goldhaube“, das militärische System zur Überwachung des Luftraumes, ist schon jetzt für diese Aufgabe bestens geeignet. Anstatt sich am neuen Wettrüsten zu beteiligen, könnte Österreich, mit einer aktiven Friedenspolitik und einer glaubwürdigen Landesverteidigung zur Erde und in der Luft, für die Friedensordnung in Europa mehr bewirken. Statt der Wiederauflage des Wettrüstens wäre eine Wiederauflage des Entspannungsprozesses gefragt. Wien war schon einmal der Ort eines europäischen Friedenskongresses. Wäre der Vorschlag für eine europäische Friedenskonferenz in Wien nicht eine Idee, die von der österreichischen und europäischen Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen würde?“[9]
 
NATO Panzer auf dem Weg durch Österreich
 
Geregelt sind ausländische Militärtransporte über das Truppenaufenthaltsgesetz. Demzufolge kann die Verteidigungsministerin diese Truppenbewegungen genehmigen, solange gewisse Gründe – etwa die Teilnahme an Übungen – vorliegen.
 
Österreich habe Überflüge und den Transit von Truppen aus Gründen der Neutralität dann abzulehnen, wenn diese der militärischen Unterstützung einer Kriegspartei dienen. Als Kriegsparteien werden derzeit aber nur die Russische Föderation, die Ukraine und Weißrussland angesehen, nicht jedoch die angrenzenden Staaten, die sich – offiziell - nicht am Konflikt beteiligen.
 
Österreich ist von vielen NATO-Staaten umgeben und gilt somit als Transitland für ausländische Militärtransporte. Einer parlamentarischen Anfrage der FPÖ zufolge wurden im vergangenen Jahr 4.584 ausländische Militärtransporte durch Österreich sowie 6.245 Überflüge mit ausländischen Militärflugzeugen genehmigt.
 
Am 11.3.2024 riss ein NATO-Militärkonvoi in Salzburg eine Oberleitung ab. Dadurch wurde das Thema der Militärtransporte durch Österreich und die Neutralität in den Medien kurz abgehandelt.
 
Die Durchfahrtsgenehmigung wurde überprüft und sei ordnungsgemäß. Die Besatzung verbrachte die Nacht daraufhin in der Schwarzenberg-Kaserne. Heute Morgen wurde der Klein-Konvoi von der Militärpolizei zum Grenzübergang Walserberg eskortiert, wo die Weiterfahrt zur NATO-Übung “Nordic Response” angetreten wurde. An dem Manöver im Norden Norwegens nehmen rund 20.000 Soldat:innen aus 13 Nationen teil, geübt wird eine bewaffnete Konfrontation mit Russland. [10]
 
Schluss mit dem Beschneiden der Neutralität
 
Wir sehen, dass die Neutralität Österreichs von der Erklärung 1955 bis heute ab dem Zusammenbruch der Sowjetunion scheibchenweise ausgehöhlt wurde und wird.
 
Über den Beitritt zur EU gab es eine Volksabstimmung. Über das Aufgeben der immerwährenden Neutralität will die Politik möglichst keine öffentliche Diskussion und schon gar nicht eine Entscheidung der Bevölkerung.
 
Diese Politik führt zunehmend zur Integration Österreich in die NATO. Damit begeht die Politik einen gefährlichen Weg. Denn mit einer Mitwirkung an Sky Shield – einem enormen Aufrüstungsprojekt – wird Österreich auch zum möglichen Ziel von Angriffen.
 
Daher wurde das Bündnis „Stimmen für Neutralität“ gegründet, um die Neutralität und damit die Sicherheit Österreichs öffentlich zu thematisieren und zu erhalten.

[1] Artikel 1 des Neutralitätsgesetzes
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
[2] Staatsziele sind rechtlich verbindlich. Sie verpflichten die Staatsorgane zu einem bestimmten Handeln. Sie sind somit beim Erlass neuer Gesetze und bei der Auslegung bestehender Gesetze durch Gerichte und Verwaltungsbehörden zu beachten. Staatsziele legen als Teil der Verfassung Rahmenbedingungen für politisches Handeln fest. Sie umfassen aber keine subjektiven Rechte, die von Einzelpersonen geltend gemacht werden können. Aus dem Staatsziel Umweltschutz folgt also kein individuelles Grundrecht auf eine saubere Umwelt. (Parlament Fachdossier: Welche Staatsziele gibt es in Österreich (https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Welche-Staatsziele-gibt-es-in-Oesterreich-und-was-koennen-sie-bewirken).
[3] Artikel 9a Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
(1)Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hierbei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen.
[4] Parlament Fachdossier: Was macht Österreichs Neutralität aus (https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Was-macht-die-oesterreichische-Neutralitaet-aus).
[5] Parlament Fachdossier: Was macht Österreichs Neutralität aus (https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Was-macht-die-oesterreichische-Neutralitaet-aus).
[6] Artikel 23j Bundesverfassungsgesetz:
(3) Bei Beschlüssen über die Einleitung einer Mission außerhalb der Europäischen Union, die Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens oder Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten umfasst, sowie bei Beschlüssen gemäß Art. 42 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon betreffend die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik ist das Stimmrecht im Einvernehmen zwischen dem Bundeskanzler und dem für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Bundesminister auszuüben.
(4) Eine Zustimmung zu Maßnahmen gemäß Abs. 3 darf, wenn der zu fassende Beschluss eine Verpflichtung Österreichs zur Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen bewirken würde, nur unter dem Vorbehalt gegeben werden, dass es diesbezüglich noch der Durchführung des für die Entsendung von Einheiten oder einzelnen Personen in das Ausland verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens (Anm.: 2/3 Mehrheit in NR und BR) bedarf.

[7]  Parlament Fachdossier: Was macht Österreichs Neutralität aus (https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Was-macht-die-oesterreichische-Neutralitaet-aus).
[8]  Parlament Fachdossier: Was macht Österreichs Neutralität aus (https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Was-macht-die-oesterreichische-Neutralitaet-aus).
[9]  NÖN 24.8.2023
[10]  SN 12.3.2024

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