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30.05.2024

Wide Wide Witt, ich mache Urteile wie es mir gefällt

Der Verbraucherschutzverein (VSV) führt Klagen gegen Banken auf Herausgabe von gesetzwidrig vereinbarten und kassierten Kreditbearbeitungsgebühren.

Der Hintergrund: In einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) in einer Verbandsklage gegen ein Fitness-Center hat der OGH seine Judikatur - auch zu Banken - geändert. 

Zuvor wurden Klausel mit denen Bearbeitungsgebühren in Verbraucherkreditverträgen vereinbart wurden als Hauptleistung angesehen und waren daher einer Prüfung der  Klauseln nach § 879 ABGB bzw dem Konsumentenschutzgesetz nicht zugänglich.

In der neuen OGH Entscheidung sagt der OGH zweierlei:

- Nebengebühren, die für Leistungen verlangt werden, die sowieso zur Hauptleistung zählen, sind nicht Teil der Hauptleistung und können daher auf Gesetz- und Sittenwidrigkeit geprüft werden.

- Solche Nebengebühren verschleiern dem Kunden das gesamte Entgelt für die Hauptleistung und sind daher gröblich benachteiligend.

In einer weiteren Entscheidung des OGH, hat dieser in einem Verbraucherkreditvertrag verschiedene Gebührenklauseln als intransparent und unwirksam angesehen, weil der Kunde nicht zuordnen könne, für welche Leistung welches Entgelt verlangt werde. Auch die Frage der Gröblichen Benachteiligung ging der OGH hier nicht ein.

Nun liegen dem VSV zwei Entscheidungen von Richter Sackl vom Handesgericht Wien vor. Diese Entscheidungen widersprechen sich eklatant.

In einer Verbandsklage gegen die Gebührenklauseln in einem Verbraucherkreditvertrag ist im Urteil zu lesen:

Im Austauschverhältnis stehen bei Kreditverträgen als Hauptleistungen die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung von Kapital durch das Kreditinstitut einerseits sowie die Verpflichtung zur Rückzahlung samt Zinsen andererseits. Das Entgelt, das die die Kreditinstitute bei derartigen Verträgen regelmäßig lukrieren, liegt in der Verzinsung des gegebenen Kapitalbetrags. Sämtliche Gebühren, wie sie in den angefochtenen Klauseln enthalten sind zusätzliche Entgelte, mit deren Vereinbarung in AGB Hauptleistungspflicht der Beklagten – nämlich dem Kunden das Kapital als Gegenleistung für verzinste Rückzahlung zur Verfügung zu stellen – ausgehöhlt wird, weshalb die Klauseln der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB unterliegen. Weil keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich ist, den bereits zur Zinszahlung verpflichteten Kunden abermals Entgelte („Bearbeitungsgebühr, Erhebungsspesen, Überweisungsspesen, Kosten für Porto und Drucksorten Kontoführungsgebühr“) abzuverlangen, sind die Klauseln gröblich benachteiligend. Sie sind auch keine Zahlungen für Aufwendungen, die über das übliche, mit jeder Vertragsbegründung entstehende Maß hinausgehen und somit nach den obigen Ausführen des OGH jedenfalls unzulässig.
(HG Wien 24.4.2023)

In einem aktuellen Urteil in einer Individualverfahren (Rückforderung von über 20.000 Euro Kreditbearbeitungsgebühr) bei einem Kredit, mit dem der Käufer - erstmals - fünf Wohnungen angekauft hat, um diese zu vermieten. In weiterer Folge nahm der Kunde weitere Kredite auf und kaufte weitere Wohnungen zur Vermietung.

Der Richter geht hier richtig davon aus, dass ein Gründungsgeschäft nach § 1 Abs 3 KSchG vorliege (ein Verbraucher, der ein Unternehmen startet, soll für die ersten Geschäfte zur Grünung noch dem Schutz des KSchG unterliegen.

Doch dann ignoriert er die oben genannte Rechtssprechung des OGH, wonach die Angabe einer Vielzahl von Nebengebühren im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG intransparent sein.

Zitat:
Der Kläger verkennt, dass hier nicht ein so genannter „Klauselprozess“ vorliegt, in dem unter der Prämisse der kundenfeindlichsten Auslegung darüber entschieden wird, welche allgemeinen Regeln für eine unbestimmte Anzahl an Verbrauchern in AGB oder Vertragsformblätter aufgenommen werden dürfen, sondern ein Individualprozess, in dem der Kläger konkret zu behaupten und nachzuweisen hat, dass und aus welchen Gründen eine von ihm selbst geschlossene vertragliche Vereinbarung im Einzelfall nichtig erscheint. Auf die Verletzung des Transparenzgebots gemäß § 6 KSchG kann er sich im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg berufen, weil doch nach der oben ersichtlichen Vereinbarung die Bearbeitungsgebühr konkret vereinbart wurde und auch transparent erklärt wurde. Wie die Beklagte die dadurch vereinnahmten Entgelte verwendet, ist ebenso unmaßgeblich wie, ob sie diese Verwendung transparent erklärt.
(HG Wien 28.5.2024 11 Cg 44/23t)

Weshalb solche Klauseln im Verbandsprozess intransparent sind und im Individualprozess nicht, erklärt er damit nicht. An den Klauseln gibt es nichts auszulegen, sondern sie verschleiern dem Kreditnehmer - wie der OGH erkannte - welche Leistungen der Bank nun mit welcher Nebengebühr abgegolten werden.

Aber es kommt noch besser. Richter Sackl ist plötzlich nicht mehr seiner Meinung:

Zitat:
Auch auf § 879 Abs 3 ABGB kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, weil doch die Bearbeitungsgebühr zweifellos eine Hauptleistung festlegt.
(HG Wien 28.5.2024 11 Cg 44/23t)

Richter Sackl ist dafür bekannt die Parteien gelegentlich damit zu beruhigen, dass er ihnen mit auf den Weg gibt: “Es ist egal wie ich entscheide, der Fall wird sowieso von den Obergerichten letztlich entschieden.” 

Damit hat er zwar Recht, doch - ohne Begründung - seine eigene Rechtsmeinung diametral zu ändern, trägt nicht dazu bei, das Vertrauen in die Justiz zu stärken.

Admin - 14:35 @ Verbraucherschutz | Kommentar hinzufügen

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